ACTION PAINTING – GRENZEN DER BEWEGUNG

Im praktischen Teil meiner Facharbeit malte ich insgesamt 6 Bilder – oder Tücher wie ich sie bezeichne – alle mit Gouache auf  Leintuch in unterschiedlichen Formaten. Dabei wählte ich meinen Körper als farbauftragendes Element. Ich tat das aus der Motivation heraus, einen neuen Aspekt meiner Körperlichkeit und Schaffenskraft zu entdecken und zu versuchen mich in meine Bilder durch den räumlichen Distanzverlust zu ‚vertiefen’.

Im theoretischen Teil reflektiere ich meine Ergebnisse und prüfe , inwiefern ich mein Ziel erreicht habe. Er baut sich also aus folgenden Teilbereichen auf:

  1. Die Dokumentation der Entstehung meiner Bilder durch den Film
  2. Die Beschreibung und Reflexion der Entstehung der einzelnen Tücher
  3. Eine kurze Darstellung der Werke von Yves Klein und Jackson Pollock und  

jeweils mein Bezug zu ihnen.  

Auf den Film bin ich in meinem Text nicht weiter eingegangen, er dient der Veranschaulichung der von mir beschriebenen Arbeitsweise und erklärt sich von selbst. Der erste Teil des Films zeigt die Entstehung der Tücher 1&2, eine kurze Zwischenszene zeigt den Malprozess des dritten Tuchs und der zweite Teil dokumentiert das Entstehen von Tuch 5.

(Anmerkung zum Film: zum Abspielen eignet sich z.B. der Windows Media Player, es empfiehlt sich die Datei vor dem Abspielen auf die  Festplatte zu kopieren, da er sonst nur stockend gezeigt wird.)

Den jeweiligen Tüchern habe ich im Text Untertitel zugeordnet:

Tuch 1&2 – Hemmung

Tuch 3 – Körperlichkeit

Tuch 4 – Extravertiertheit

Tuch 5 – Leben

Tuch 6 – Distanzverlust

Die allgemein, also nicht nur auf die einzelnen Tücher bezogenen, ausgeführten Aspekte der Tücher 3 bis 6 lassen sich auch auf die Entstehung der anderen Tücher übertragen.

Ich wünsche Interesse und Freude beim Lesen,

 

Lisa Fiedler, Januar 2005

 


Tuch 1 & 2

-Hemmung-

 

Anfangs stand ich vor zwei Leintüchern der Maße 2,60 m auf 2,20m. Das eine Tuch war auf dem Boden ausgebreitet, das zweite gleichzeitig an der anschließenden Wand befestigt.

Ich war, da ich mich das erste Mal mit einer Arbeitsfläche in diesem Ausmaß konfrontiert sah, von der weißen Fläche überwältigt. Ich sah mich nicht in der Lage diese pure weiße Fläche durch Farbe zu ‚zerstören’. Würde man bei einem Ölgemälde nun vielleicht mit einer Bleistiftskizze beginnen, war mir eine derartige Vorbereitung bei meiner angestrebten Arbeitsweise nicht möglich.

Ich begann also regelrecht ‚behutsam’ meine Füße mit schwarzer Farbe einzustreichen und Abdrücke auf das am Boden liegende Leintuch zu setzen. Dies  stellte zu meinem Thema Actionpainting einen Widerspruch dar, da von Impulsivität des Farbauftrags oder Spontaneität im Handeln nichts zu spüren war.

Ich nahm die Gouachefarben unverdünnt und höchstens auf den Handflächen etwas vermischt, direkt aus den Farbflaschen. Dies erklärt die etwas disharmonisch und simpel wirkende Farbgebung dieser beiden Tücher.

Gleichzeitig wurde ich gefilmt, da ich meine Bewegungen dokumentieren wollte, was mich jedoch, durch das Gefühl beobachtet zu werden, hemmte.

Die Filmaufnahmen bzw. die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum war mir zu diesem Zeitpunkt so bewusst,  dass ich mich nicht frei und zwanglos entfalten konnte. Ich fühlte mich vor der Kamera, also in gewisser Weise vor der Öffentlichkeit, bloßgestellt. Später konnte ich mich von diesem Hemmnis befreien, nachdem ich mir den reinen Dokumentationszwecken bewusst wurde, und der Tatsache, dass ich durch die Kamera nicht ‚live’ beobachtet wurde, also die Bilder außer mir vorerst niemand sehen würde.

Vor allem bei dem ersten Tuch, welches ich an der Wand befestigt hatte, wurde eines sehr deutlich: meine Bewegung, und damit das gewünschte Ziel, völlig rücksichtslos und unabhängig von der Umgebung die Farbe aufzutragen, wurde allein durch diese „weiße Mauer“ vor mir regelrecht abgebremst. Dies ist an den platten, einseitigen und unbewegten Körperabdrücken und dem Fehlen mehrerer sich überlagernden Farbschichten zu erkennen. Eine Darstellung der Bewegung und Ganzheit des Körpers war durch die starre Auftragsfläche nicht möglich. Der obere Rand und die Ecken ließen sich nur mühevoll oder durch Stehen auf einem Stuhl erreichen, was Spontaneität und Uneingeschränktheit sowie das All-over Prinzip verhinderte.

Die Erreichbarkeit der Malfläche war bei dem auf dem Boden liegenden zweiten Tuch zwar gegeben, jedoch war es mir durch die oben erwähnten Hemmnisse - die Kamera und die zähflüssige Farbe – nicht möglich frei zu  agieren und dies auch im Farbauftrag zum Ausdruck zu bringen.

 Nach Fertigstellung dieser zwei Tücher war ich von dem Ergebnis enttäuscht, vor allem die Farbgebung war sehr unbefriedigend und ich sah meine Ziele, u.a. die erhoffte Unbeschränktheit in der künstlerischen Tätigkeit,  nicht verwirklicht.

Sie waren jedoch eine notwendige Vorbereitung um meinem Ziel näher zu gelangen und ein Gefühl für die Farbe auf meinem Körper und meinen Körper in Farbe zu bekommen.

Deswegen sehe ich diese zwei Arbeiten als Vorbereitung auf die weiteren Tücher und habe mich entschlossen sie nicht in die Bewertung mit  einfließen zu lassen.

 

 

oben: Tuch 1, unten: Tuch 2, beide 260 x 220 cm

 

 

 

Tuch 3

-Körperlichkeit-

 

Nach den Erfahrungen aus den ersten zwei Arbeiten     breitete ich dieses dritte Tuch auf dem Boden aus, um mir eine unmittelbare Erreichbarkeit des Tuches zu ermöglichen. Ich beschränkte mich bereits vor Beginn des Malaktes  auf wenige Farben. Das Gefühl des ‚Beobachtetseins’ vermied ich, indem ich mich allein im Raum aufhielt, zwar meine Bewegung auf Band aufzeichnete, aber mich davon in keinerlei Weise beeinflussen ließ.

Nachdem ich meinen Körper völlig mit gelber Gouache eingestrichen hatte, rollte ich mich einmal quer über das Tuch, ohne dazwischen abzusetzen.

Die Vorsichtigkeit die mich anfangs beherrschte war immer noch zu spüren, aber bei diesem Motiv durchaus gewollt, da es durch unnötige Vielschichtigkeit nur gestört worden wäre.

Bei diesem Tuch machte ich den Versuch die Ganzheit meines Körpers auszudrücken, wobei ich mich in der Gestaltung stark von Yves Klein beeinflussen ließ, auf den ich im zweiten Teil meiner Arbeit noch zu sprechen komme.

 

Ich denke, dass ich diese Arbeit als Action-Painting bezeichnen kann:

Im Vergleich zu den folgenden Tüchern ist meine Bewegung langsamer und vorsichtiger. Die ‚action’ liegt hier jedoch nicht in dem energiegeladenen impulsiven Farbauftrag, sondern in der Handlung den ganzen Körper ganz offensichtlich in einem ‚happening’ als Malmittel zu präsentieren und dies später auch unmittelbar im Bild erkennen zu können.

Tuch 3, 145 x 210 cm

 

 

Tuch 4

-Extravertiertheit-

 

Die Entstehung dieses Tuches habe ich nicht auf Film festgehalten, wodurch es mir erstmals möglich war mich völlig auf die Bewegung meines Körpers zu konzentrieren. Die Bewegung lässt sich jedoch mit der des 5. Tuches vergleichen, wobei sie noch mehr ins Tänzerische gingen. Im Rhythmus einer afrikanischen Trommelgruppe war es mir hier möglich die ‚Vorsichtigkeit’ abzulegen. Mit dieser Musik fiel  es mir leicht aus mir herauszugehen.

Meine Bewegung und Aktionen gingen über Rutschen über das farb-glitschige Tuch,   Springen und Rollen bis zum Spritzen, Schleudern und Schütten der Farbe.

Dies war möglich, da ich die ursprünglich zähe Konsistenz der Farbe durch Verdünnen verflüssigte. Außerdem bereitete ich diverse Farbmischungen vor dem eigentlichen Beginn der Aktion vor, um dann im Malakt nicht mehr innehalten zu müssen. Ich stellte die Farbe in offenen Behältnissen auf, so dass die verzögerte Verfügbarkeit der Farbe aus der Flasche ebenfalls wegfiel. Auf die selbe Art und Weise ging ich bei den folgenden Tüchern vor.

Um wirklich völlig unabhängig von meiner Umwelt agieren zu können trennte ich einen Bereich des Atelierraumes mit Plastikfolien ab. So entstand eine Art  zweiter Raum im Raum in dem sich nur ich, die Farben und das Tuch befanden.

Dies gab mir trotz der räumlichen Beschränkung ein Gefühl der Unabhängigkeit, da ich auf meine Umgebung in keiner Weise acht geben musste, sei es das irgendetwas mit Farbe beschmutzt werden würde oder eine Kamera oder ein Mensch mich beobachtet.

Die Bewegungen waren nun nur durch die Gesetze der Schwerkraft, meine Gelenkigkeit  und den harten Untergrund begrenzt.

Meine Farbwahl bei diesem Tuch entspricht der Energie die ich verspürte während des Malens. Ich begann mit den Grün- und Blautönen im Hintergrund, die dann teilweise von durch Schütten entstandenen Farbspritzern überdeckt wurden. Diese explosionsartigen Gebilde stehen parallel zu dem was ich bei ihrer Entstehung und dem darauf folgenden Anblick dachte und fühlte, nämlich einem Gefühl der Freude und der absoluten Extravertiertheit:

 Hierbei habe ich meine Intention verwirklicht durch den unmittelbaren Kontakt meines Körpers mit der Farbe meine Emotionen auf den Malgrund zu übertragen, so dass ich sie jetzt, ca. 2 Monate später, immer noch unmittelbar nachvollziehen kann.

Ich verlor die Distanz die bis dahin zwischen mir und dem Bild bestand: Ich hatte Hautkontakt mit Farbe und Tuch. Den Pinsel, der üblicherweise als Malmittel benutzt wird, sehe ich als eine Art verlängerten Arm, der den Künstler zu seinem Gemälde in Distanz hält. Sobald man diesen nicht mehr benötigt und es zulässt, dass die Farbe von dem ganzen Körper Besitz ergreift bzw. der ganze Körper von der Farbe Besitz ergreift, ist es möglich  ganz im Malprozess aufzugehen. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Verstand sich an einem bestimmten Punkt ‚ausklinkt’ und meine Handlungen durch Emotionen bestimmt werden.


Tuch 4, 210 x 155 cm

 


Tuch 5

-Leben -

 

Die Entstehung dieses Tuches ist  größtenteils im 2.Teil des Films festgehalten.

Durch das etwas kleinere Format des Tuches kommt hierbei besonders die Unbegrenztheit des Farbauftrags zur Geltung, d.h. er bricht nicht vor dem Ende des Tuches ab, sondern geht über den Rand hinaus. Dies betont die Tatsache, dass das Bild nur ein Ausschnitt aus der Umgebung ist in der ich mich bewegt habe, auf dem ich meine Spuren hinterlassen habe. Also ein zufälliges Produkt das ich aus meiner Umgebung entnahm. Eigentlich müsste ich meinen Folienraum den ich um die Arbeitsfläche aufgebaut habe, bei der Präsentation des Bildes mit ausstellen um die Spuren meiner Bewegung im Raum in ihrer Ganzheit darzustellen. Allerdings sind die Bewegungsspuren auf dem Tuch natürlich verdichtet, da ich es als Ziel meiner Bewegung im Auge hatte, auch wenn zufälligerweise in der Umgebung neben dem Tuch ebenfalls Farbe gelandet ist. Ich sehe ein Tuch also als einen Ausschnitt meiner Bewegungen in meinem Leben in einer begrenzten Zeit .Der Betrachter kann kein allumfassendes Bild meiner Bewegung und meiner Emotionen in dem Bild sehen, auch nicht die der begrenzten Zeit der Entstehung, sondern nur einen Ausschnitt.

Die Grenzen im Festhalten der Bewegung und Emotion zur Veranschaulichung für den Betrachter liegen also in der Fläche - dem Tuch - und dem Zeitraum der Erstellung.

Tuch 5, 160 x 145cm

 

 

 

Tuch 6

-Distanzverlust-

 

Das 6. Tuch ist als letztes entstanden. Ich habe bewusst die Farbpalette reduziert, um die Aufmerksamkeit des Betrachters von den starken Farben wegzulenken und der Dynamik des Bilds mehr Beachtung zu schenken.

Bei der Entstehung dieses Tuches waren meine Bewegungen sehr ungezwungen, einmal habe ich mich auf einmal im Schulterstand gefunden. Dabei setzte ich meinen ganzen Körper ein, anders als bei Tuch 5, wo ich mich meist mit dem Gesicht der Arbeitsfläche zuwandte also fast nur frontal das Bild bearbeitete. Der Farbauftrag fand vor allem direkt mit meiner Hautoberfläche statt, ich habe die Farbe nur einmal etwas gespritzt und von den Händen geschüttelt. Demzufolge war  die Distanz zum Geschehen bei Tuch 6 besonders gering, da ich mich körperlich nicht weit von dem Tuch wegbewegte. Die Kontrolle über das Endergebnis fiel fast völlig weg, ich war bei der Entstehung ganz ‚im Bild’. Ich war mir nur der zwei Ebenen bewusst die ich herstellen wollte, nämlich der in Blautönen gehaltenen Hintergrundebene und dem orangen Vordergrund.  Da ich die Farbschichten nicht habe antrocknen lassen bevor ich eine zweite darüber malte, vermischen sich die zwei Ebenen teilweise.

Bei allen Tüchern wäre es mir unmöglich gewesen die Fertigstellung über mehrere Arbeitstage hinzuziehen. Sobald ich eines begonnen hatte musste ich dieses auch im selben Zug fertig stellen. Hätte ich die Tücher mit Pausen bearbeitet, wäre der Ausdruck verfälscht, da mein Körper ja an jedem Tag auf eine andere Weise disponiert oder indisponiert ist und sich meine Emotionen beim Malen von Bild zu Bild unterscheiden.

Tuch 6, 240 x 152 cm

 

 

Yves Klein

In der folgenden Werkbeschreibung von Yves Klein erwähne ich nur die für meine Arbeit relevanten Aspekte seiner Kunst und lasse die übrigen Teilbereiche seines Werkes außen vor.

Der für mich relevante Aspekt der Arbeiten von Yves Klein sind seine sogenannten Anthropometrien, die er ab 1958 herstellte. Anthropometrien sind näher zu definieren als  die Abdrücke von eingefärbten Frauenkörpern auf Leinwänden. Dabei bemalte Klein seine (durchwegs weiblichen) Modelle meist mit  I.K.B – International Klein Blue, ein sehr kräftiges Ultramarinblau – und ließ sie exakt nach seinen Anweisungen auf Leinwänden Körperabdrücke machen oder mit ihrem Körper Monochrome – Leinwände die völlig in einer Farbe eingefärbt sind -  anfertigen. Klein blieb dabei immer in Distanz zu seinen Modellen: „Meine Pinsel waren lebendig und ferngesteuert“ (Yves Klein, S.126 unten) Er trat also selbst nicht in den Kontakt zu Farbe oder Leinwand, sondern nahm die Rolle eines Dirigenten des malenden Körpers an. Die Inszenierungen der  Herstellung der Anthropometrien fanden als Performances in öffentlichen Galerien oder in seinem Atelier statt, die berühmteste am 9.März 1960 in der Galerie Internationale d´Art Contemporain in Paris.

Die Anthropometrien waren für Klein die konzentrierteste Ausdrucksform für Lebensenergie und „die Gesundheit die uns zum Sein bringt“ (Y.K. S.55). Er versuchte das Leben durch eine Spur des Lebens – den Körperabdruck - festzuhalten und eine Gegenwart der Energie, trotz der personalen Abwesenheit des Modells bei späterer Betrachtung, herzustellen. Die Anthropometrien sind deswegen alle von einem typischen Spurencharakter gekennzeichnet. Klein sah in seinen Bildern keine Rückkehr zur Figuration, auch wenn diese Anmutung teilweise assoziiert wird, sondern nur dieses Festhalten der lebendigen  Energie.

Zufällige Ergebnisse wollte er jedoch vermeiden, er bevorzugte  in einer gewissen Distanz zum Geschehen zu bleiben um jede Handlung völlig bewusst durchzuführen, bzw. die Handlung bewusst anzuleiten. Formal befolgte er deswegen bei dem Ablauf seiner Performances einen festen Plan, den er mit Disziplin und größter Präzision ausführte. Das Modell Elena Palumbo-Mosca, das an der Herstellung einiger Anthropometrien beteiligt war, bezeichnete den Vorgang sogar „als etwas wie ein Initiationsritus“ (Y.K. S.118 unten) und auch Yves Klein selbst  war sich der ritualhaften Wirkung bewusst. Er verstärkte diese Wirkung sogar, indem er eine feierliche Atmosphäre in den Aktionsräumen herstellte. Bei der Vorführung in der  Galerie Internationale d´Art Contemporain musste das exklusiv ausgewählte Publikum in Abendgarderobe erscheinen und ein kleines Streichorchester spielte die „Monotone Symphonie“, welche aus einem einzigen Ton bestand der 20 Minuten anhielt und darauf folgender 20-minütiger Stille.

Durch diese Feierlichkeit betonte Klein auch die Seriosität seiner Vorführungen auf die er großen Wert legte: „Es gab niemals etwas Erotisches, noch Pornografisches oder irgendwie Amoralisches während dieser fantastischen Sitzungen.“ (Y.K. S.126)

Elena Palumbo-Mosca bezeichnet die Teilnahme an der Entstehung einer Anthropometrie  als  „ein intensives, glückliches Wirklichkeitserlebnis“ (Y.K. S.118). Ich frage mich, wie es Yves Klein geschafft hat, sich zu dieser Wirklichkeitserfahrung in völliger Distanz zu halten. Für mich war der Verlust jeglicher Distanz zu Farbe und Malgrund ein Ziel, das ich angestrebt habe. Mir war das in der Form eines Körperabdrucks, und zwar meines eigenen Körpers, möglich. Bei Klein wurden die Modelle entindividualisiert. Er sah den Zweck in der ‚Benutzung’ der Körper darin, dass er den abstrakten Begriff der ‚Lebensenergie’, die in jedem (Frauen-)Körper enthalten ist, auf der Leinwand bannt. Ich dagegen sehe  in meiner Arbeit durchaus  meinen individuellen Ausdruck meiner eigenen Körperlichkeit, aber auch der Vorgänge die sich auf meiner Gefühlsebene abgespielt haben, während ich das Bild erstellt habe. Durch den Verlust meiner Distanz zu dem Geschehen vermag ich vielleicht keine so allumfassende transzendentale Erklärung oder komplexe Philosophie hinter meinen Bildern sehen, wie sie Yves Klein wohl hatte. Aber stattdessen habe  ich bei der Erstellung neue Möglichkeiten und Grenzen meines Körpers erfahren. Demzufolge spielt bei mir weniger die völlige Bewusstheit der Handlung eine Rolle, sondern der impulsive Antrieb des Geschehens.

Die Atmosphäre bei der Herstellung des 3.Tuches, welche teilweise auch auf dem Film festgehalten ist, habe ich als eine sehr besondere empfunden. Von einem Ritus möchte ich dabei aber nicht sprechen. Durch die sphärische Musik die ich mir dabei anhörte und das helle Licht entstand, eher zufällig als dass ich es inszeniert hätte, eine getragene, warme und etwas ‚abgehobene’ Stimmung.

An der Seriosität meines Vorhabens habe ich zu keinem Zeitpunkt gezweifelt, ich sehe die Darstellung meines Körpers, auf der Leinwand wie auch im Film, wenn ich sie im Nachhinein betrachte, auf die selbe Art wie ein Aktzeichner sein Modell.

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links: Aktion in Yves Kleins Atelier: Frau als menschlicher Pinsel

rechts: Anthropometrie 74,Yves Klein 1960


 

 

Jackson Pollock

 

Im folgenden Text behandle ich die Arbeitsweise Jackson Pollocks ab ca. 1947 und klammere die früheren Werke des Künstlers aus.

Jackson Pollock ist einer der bekanntesten Vertreter des Action Painting. Seine Maltechnik ab 1947 war etwa die folgende: Die Farbe wird mittels Drip Painting in einem spontanen Prozess direkt auf die am Boden ausgebreitet liegende Leinwand geträufelt. Dadurch ist die Leinwand nicht nur die Malfläche für den Künstler, sondern auch ein Aktionsfeld auf dem er sich bewegt und handelt. „Auf dem Boden fühle ich mich wohler. Da bin ich dem Gemälde näher, fühle mich mehr als ein Teil von ihm, denn so kann ich um es herumgehen, von allen vier Seiten daran arbeiten und buchstäblich im Gemälde mitten drin sein.“ (Jackson Pollock S.65).

Pollock trug die Farbe mittels Stöcken oder Palettenmessern auf, ohne dabei jemals die Leinwand direkt zu berühren, indem er die Farbe direkt aus dem Farbtopf schüttete oder mit den genannten Hilfsmitteln auf den Malgrund schleuderte.

Das Aktionsfeld ist durch keinerlei Rahmung begrenzt und tendiert deswegen zu rießigen Formaten und dem All-over als Bildprinzip. Die Abbildlichkeit wird durch die rein gestische Malweise aufgehoben.

Pollock sah die mittels Drip Painting entstandenen Gemälde als Manifestationen seiner Energie und Bewegung und das Festhalten von ‚körperlichen Erinnerungen’. Dem Vorwurf der zufälligen Entstehung seiner Bilder, laut dem Kritiker Robert Coates in der New York Times 1948 als „(...) völlig unorganisierte(n), zufällig auftretende(n) Kraftausbrüche(n) (...)“ (J.P. S.68) bezeichnet, setzte er den Gedanken dieser Manifestation entgegen.

In seiner Arbeitsweise sah Pollock eine Wechselwirkung zwischen Spontaneität und Kontrolle in der er seine Gefühle ausdrückt, sie aber nicht illustriert. Die Technik des Farbauftrags war ihm gleichgültig, solange er mit ihr zu seiner Aussage kam. Pollock betonte seine ‚Einswerdung’ mit dem Bild während der Entstehung. Dies, und den Bewusstseinszustand indem sich Pollock befand während dem Malprozess, beschreibt das folgende Zitat:

 „(...)Wenn ich in meinem Gemälde bin, bin ich mir nicht bewusst was ich tue. Erst nach einer Art ‚Aufwärmphase’ kann ich erkennen, was ich da überhaupt mache. Ich habe keine Angst davor, Änderungen vorzunehmen, das Bild zu zerstören oder so, weil das Gemälde sein Eigenleben hat. Ich versuche es herauskommen zu lassen. Nur wenn ich den Kontakt zum Gemälde verliere, kommt Mist dabei heraus. Sonst aber ist es reine Harmonie, ein leichtes Geben und Nehmen, und dann entsteht ein gutes Gemälde.“ (J.P. S.65)

Jackson Pollock ermöglichte dem Betrachter das Nachvollziehen dieses ‚im Bild sein’, welches er während des Malprozess erfuhr, vor allem durch die großen Formate der Bilder von bis zu 5 m Breite.

Durch die Wahl meiner Malweise verfolge ich die selben Ziele wie Jackson Pollock und andere Künstler, die sich mit Action Painting versucht haben, nämlich den Ausdruck und die Manifestation der momentanen Emotionen, Energie und Bewegung im Raum. Deswegen lassen sich einige Parallelen in der Arbeitsweise und bei den Erfahrungen feststellen. So empfand ich den ‚Kontakt’ zum Bild, bzw. zum Tuch welches am Boden lag auf ähnliche Weise wie es bei Jackson Pollock beschrieben ist: Wie ich bei Tuch 1 und 2 erwähne, sah ich das Tuch an der Wand als eine Mauer vor mir, von der ich abgebremst wurde. Mit dem Tuch auf dem Boden, von allen Seiten erreichbar, war der Distanzverlust und das ‚im Bild sein’ erst möglich.

Anders als Pollock versuche ich jedoch durch meinen Körper noch näher an das Bild heranzutreten, jede Distanz die herrschen kann zu beseitigen. Bei Pollock widerspricht sich in meinen Augen die ‚Einswerdung’ mit dem Bild mit der Tatsache, dass er dieses nie berührt hat. Ich sehe im Distanzverlust und der ‚Einswerdung’ auch immer einen gewissen Grad der Körperlichkeit und des direkten Kontakts mit dem Bild. Also ist mein Malmittel -mein Körper- etwas was eine große Rolle für mich spielt, da das Endergebnis unmittelbar mit meiner Körpererfahrung verknüpft ist.

Meine Arbeitsfläche war räumlich ebenfalls durch keinen Rahmen begrenzt, was wie bei Tuch 5 eine sehr offensichtliche All-over Struktur zur Folge hat. Leider war es mir in meinem ‚Atelier’ nicht möglich größere Formate zu bearbeiten. Das hätte die Raumkapazitäten gesprengt.

Mein Bewusstseinszustand während dem Malen lässt sich nicht als ‚verstandesbewusst’ , jedoch sicherlich als ‚emotionsbewusst’ bezeichnen: Meine Impulsivität ist nicht rationell zu begründen, sondern war rein emotional. Während dem Malprozess dachte ich nichts. Ich war jedoch mit allen meinen Sinnen mitten im Geschehen, welches ich impulsiv gestaltete. Das heißt ich nahm zu jedem Zeitpunkt wahr was ich tat und bin auch im Nachhinein in der Lage dies zu reflektieren.

 

Cathedral, Jackson Pollock 1947, Lack und Aluminiumfarbe auf Leinwand  181,6 x 89 cm

 

Die Frage der Zufälligkeit stellt sich mir überhaupt nicht. Einerseits aus derselben Begründung wie sie Pollock gebracht hat, andererseits aus dem Unverständnis dafür, wieso dieser Punkt ein so großes Aufsehen erregte. Ich habe das Ziel meiner Arbeit erreicht, da ich während dem Malprozess mir wichtige Erfahrungen machen konnte, mir selbst diese Erfahrungen auch bei Betrachtung der Ergebnisse noch vor Augen liegen und sie für mich eine gewisse Ästhetik ausstrahlen. Wenn der außenstehende Betrachter die letzten zwei Punkte auch nachvollziehen kann, dann ist es unbedeutend ob dies zufällig so entstanden ist oder geplant und verstandesbewusst.

 


Literaturverzeichnis

K.Thomas (Hrsg.): DuMonts Kunstlexikon des 20.Jahrhunderts-Künstler, Stile und Begriffe, Köln 2000

 

Zitate auf S.9 aus:

O.Berggruen, M.Hollein, I.Pfeiffer (alle Hrsg.): Yves Klein, Hatje Cantz Verlag, o.O., o.J.                 

 

Bilder auf S.10  aus:

Hannah Weitemeier: Yves Klein – International Klein Blue, Taschen, Köln 2001

 

Zitate auf S.11 und Bild auf S.12 aus:

Leonhard Emmerling : Jackson Pollock , Taschen, Köln 2003